Hessen will den Einzelhandel in Innenstädten und Ortskernen besser schützen. Darauf zielt eine am Mittwochabend in den Landtag eingebrachte Änderung des Landesentwicklungsplans (LEP): „Wir möchten die Vitalität von Hessens Innenstädten und Ortskernen bewahren und deshalb Ansiedlungen auf der „Grünen Wiese“ weiter beschränken“, sagte Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir.
Erweitert wird dazu die Liste von Sortimenten, die in der Regel in Innenstädten und zentralen Versorgungsbereichen – und daher nicht im großflächigen Einzelhandel am Ortsrand - angeboten werden sollen. Zu den ergänzten Artikeln zählen Zeitungen, Zeitschriften, Haus- und Heimtextilien, Stoffe, Kurzwaren, Handarbeitsartikel, Bild- und Tonträger, Kunst und Kunstgewerbe, Antiquitäten, Musikinstrumente und Parfümeriewaren.
Reaktion auf den Trend des Einzelhandels zu größeren Betriebseinheiten
In zentralen Ortsteilen kleinerer Gemeinden (Grundzentren) sollen künftig zur Verbesserung der Nahversorgung auch Lebensmittel-Geschäfte mit bis zu 2.000 Quadratmetern Grundfläche zulässig sein. Bislang sind sie auf 800 Quadratmeter beschränkt.
Grundsätzlich sollen großflächige Einzelhandelsvorhaben oberhalb von 800 Quadratmetern – wie derzeit bereits Möbel- und Einrichtungshäuser sowie Küchen-, Bad- und Sanitärfachmärkte - nur an städtebaulich integrierten Standorten verwirklicht werden. Darunter sind baulich verdichtete Siedlungsgebiete mit wesentlichen Wohnanteilen, ÖPNV-Anbindung und fußläufigem Einzugsbereich zu verstehen. Dagegen können Baustoff-, Bau-, Garten-, Reifen-, Kraftfahrzeug- und Brennstoffmärkte ausnahmsweise auch in Industrie- und Gewerbegebieten entstehen.
Das Land reagiert damit auf den Trend im Einzelhandel zu größeren Betriebseinheiten und einem höheren Filialisierungsgrad, auf die zunehmende Konkurrenz des Online-Handels und auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Diese Entwicklungen erschweren eine flächendeckende, wohnungsnahe Versorgung und den Erhalt attraktiver Innenstädte und Ortskerne.
LEP ordnet Beziehungen zwischen einzelnen Städten und Gemeinden
Der LEP ist das zentrale Instrument der Landesplanung. Er dient als Rahmen für die Regionalpläne, die beispielsweise Wohn-, Gewerbe- und Industriegebiete sowie Gebiete für land- und forstwirtschaftliche Nutzung festlegen und von den Regionalversammlungen beschlossen werden.
Außerdem ordnet der LEP die Beziehungen zwischen den einzelnen Städten und Gemeinden. Kommunen, deren Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Gesundheits- und Kultureinrichtungen sowie Arbeitsstätten auch von Bürgerinnen und Bürgern der Umgebung genutzt werden, gelten als Mittel- bzw. Oberzentren. Diese Zentralität sowie die Zuordnung zu Raumtypen wie „Ländlicher Raum“ oder „Verdichtungsraum“ beeinflussen den Anteil der jeweiligen Kommune am Steueraufkommen.
Die seit Jahrzehnten bestehende Einteilung in 314 Grund-, 98 Mittel- und 10 Oberzentren bleibt bestehen. Bei vielen kleineren Orten ändert sich jedoch die Zuordnung zum jeweiligen Mittelzentrum. Neben den Wegezeiten mit dem PKW wurden nun auch Schülerverflechtungen, ÖPNV-Verbindungen und Landkreisgrenzen herangezogen.
Aufforderung zu Kooperationen
Neu ist auch, dass benachbarte Mittelzentren mit kleinem Versorgungsgebiet ausdrücklich zur Kooperation aufgefordert werden. „Von einer abgestimmten Entwicklung der Infrastruktur profitieren alle Bürgerinnen und Bürger im Umland“, sagte Al-Wazir. „Das Land wird dazu Modellprojekte fördern.“
„Die bisherige Aufteilung der Räume und Zentren stammt noch von der Jahrtausendwende“, sagte der Minister. „Seitdem hat sich Hessen beträchtlich gewandelt; die Mobilität hat zugenommen, neue Arbeitsplätze sind entstanden, und die Bevölkerung ist um rund 220.000 Köpfe – also eine ganze Großstadt – gewachsen. Es wurde höchste Zeit, unser wichtigstes Planungsinstrument zu aktualisieren.“