Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum

Ziel: Mehr Windenergie und Rotmilane

Hessen schafft wichtige Grundlagen für Ausbau und Artenschutz

Um den Ausbau der Windenergie zu beschleunigen, hat Hessen wichtige landesrechtliche und planerische Grundlagen geschaffen, die den Bau neuer Windräder im Einklang mit dem Naturschutz ermöglichen sowie die Genehmigungsprozesse vereinfachen. Auch konkrete Maßnahmen zum Schutz der Lebensräume des Rotmilans, Schwarzstorchs und weiterer windenergiesensibler Arten – wie zum Beispiel der Schutz von Horstbäumen – werden geplant und schon jetzt sukzessive umgesetzt. Dies teilten Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir und Umweltministerin Priska Hinz am Montag in Wiesbaden mit. „Wir sorgen dafür, dass sich Windenergieausbau und Artenschutz bei der Energiewende vereinbaren lassen. Unser hessischer Weg minimiert Konfliktpotenziale und schafft Rechtssicherheit für Projektierer und Behörden, er beschleunigt Genehmigungsprozesse und stärkt zugleich wertvolle Arten wie den Rotmilan oder den Schwarzstorch. Unser Ziel ist also: mehr Windräder und mehr Rotmilane“, so Al-Wazir und Hinz. „Das geht nur, wenn Naturschutz- und Windenergieverbände an einem Strang ziehen. Das haben wir in Hessen erreicht.“

Wir sorgen dafür, dass sich Windenergieausbau und Artenschutz bei der Energiewende vereinbaren lassen. Unser hessischer Weg minimiert Konfliktpotenziale und schafft Rechtssicherheit für Projektierer und Behörden, er beschleunigt Genehmigungsprozesse und stärkt zugleich wertvolle Arten.

Tarek Al-Wazir, Wirtschafts- und Energieminister Priska Hinz, Umweltministerin

In Hessen sind schon heute knapp zwei Prozent der Landesfläche für den Windenergieausbau reserviert - das ist sonst nur noch in Schleswig-Holstein der Fall. Eine Verwaltungsvorschrift erleichtert seit etwa einem Jahr den Behörden die Genehmigung neuer Windenergieanlagen, wenn sie auf diesen Vorrangflächen gebaut werden sollen. Außerhalb dieser Flächen ist die Errichtung von Windenergieanlagen nicht mehr möglich, so dass 98 Prozent der Fläche in Hessen frei bleibt von Windrädern. Zu Siedlungsgebieten gilt außerdem ein Mindestabstand von 1000 Metern, und Schwerpunktvorkommen windenergiesensibler Arten sind für Windenergievorranggebiete tabu. Schulungen für die Mitarbeitenden in den Genehmigungsbehörden sowie für die Projektierer stellen eine korrekte Anwendung der Verwaltungsvorschrift sicher.

Ein weiterer wichtiger Baustein in der naturverträglichen Energiewende ist das landesweite Hilfsprogramm für windenergiesensible Arten. Es fördert gezielt Maßnahmen, die die Populationen von Arten wie Schwarzstorch, Rotmilan und Abendsegler stärken. Ein neues landesweites Gutachten weist konkrete Gebiete aus, die sich hierfür besonders eignen. In diesen Räumen sollen zusätzlich Ausgleichsmaßnahmen für Windenergie-Projekte umgesetzt werden. Diese zusätzlichen, für windenergiesensible Arten besonders wertvollen Räume gehen in die Neuaufstellung der Regionalpläne ein. Damit wird auch planerisch die Grundlage gelegt, beim Windenergieausbau den Bestand wichtiger Populationen zu sichern und zu stärken. „Diese vielfältigen Initiativen zeigen, dass in Hessen beides gelingt: Die Beschleunigung der Energiewende und der Schutz der Arten“, so Al-Wazir und Hinz.

Nötiger Schub für die Energiewende

Sowohl die Verwaltungsvorschrift als auch das Artenschutzprogramm und das neue Gutachten zu den Maßnahmenräumen sind in einem umfangreichen Dialog mit den hessischen Naturschutz- und Windenergieverbänden sowie den Behörden entwickelt worden. „Wir sind in Hessen echte Vorreiter. Vieles von dem, was die neue Bundesregierung sich vorgenommen hat, haben wir in Hessen bereits umgesetzt“, sagten Al-Wazir und Hinz. „Die deutliche Zunahme der Genehmigungen im vergangenen Jahr ist ein gutes Signal. Es erreichen uns zudem viele positive Rückmeldungen, nicht nur von den Genehmigungsbehörden, sondern von der Windenergiebranche und Naturschutzverbänden über Hessen hinaus. Darum sind wir uns sicher, dass die Erleichterungen und Klarstellungen die Genehmigungsverfahren vereinfachen und der Energiewende den nötigen Schub verleihen.“

Nun sei der Bund an der Reihe, seinen Beitrag zur Verbesserung der Rahmenbedingungen zu leisten, um die Genehmigungsverfahren zu vereinfachen. Hinz und Al-Wazir appellierten zudem an die anderen Länder, dem hessischen Weg zu folgen: „Wir werden das Klimaziel 2045 nur mit einem deutlich beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien erreichen. Dies darf aber nicht auf Kosten des Natur- und Artenschutzes gehen. Dafür sorgen wir in Hessen mit unserem umfangreichen Windenergiepaket, das wir im Schulterschluss mit Windenergie- und Naturschutzverbänden erarbeitet haben. Das gab es in Deutschland vorher noch nicht. Wir sind zuversichtlich, dass wir bald wieder an die hohen Steigerungsraten früherer Jahre anknüpfen können und Hessen bis zum Jahr 2045 unabhängig von fossilen und atomaren Quellen sein wird.“

Verwaltungsvorschrift Windenergie

Die am 1. Januar 2021 in Hessen in Kraft getretene Verwaltungsvorschrift Naturschutz/Windenergie 2020 schafft eine wichtige Grundlage für die Vereinbarkeit von Energiewende und Naturschutz. Sie trifft Regelungen für artenschutzrechtliche Fragestellungen, ohne dabei die Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung aus dem Blick zu verlieren. Sie gibt außerdem den Genehmigungsbehörden eine Reihe von Maßnahmen an die Hand, um neben einem gut begründeten Abstand zum Brutplatz das Risiko für die Tiere zu senken. Dazu gehören etwa große Abstände zwischen Rotorunterkante und dem Boden, Weglocken der Vögel vom Standort der jeweiligen Windenergieanlage oder Abschalten der Anlage während hoher Flugaktivität von Fledermäusen und Vögeln.

Hilfsprogramm für windenergiesensible Arten

Mit einem landesweiten Hilfsprogramm für windenergiesensible Vogel- und Fledermausarten baut das Hessische Umweltministerium den Schutz für Arten wie Schwarzstorch, Rotmilan und Abendsegler aus. Vorrangiges Ziel ist es, abseits von Windenergieanlagen Wald im Umfeld der Brutplätze oder Fledermauskolonien ganz aus der Nutzung zu nehmen, um den störungsempfindlichen Tieren optimale Bedingungen für die Jungenaufzucht zu bieten. Daneben sollen ihre Lebensräume aufgewertet werden, zum Beispiel durch die Renaturierung von Waldbächen und -tümpeln oder die abwechslungsreiche Bewirtschaftung angrenzender Felder und Wiesen.

„Wir zeigen in Hessen, dass der Ausbau von Windenergie und der Schutz gefährdeter Arten kein Widerspruch sind – im Gegenteil: Mit unserem Programm schaffen wir für alle windenergiesensible Arten optimale Bedingungen! Wir haben bereits ein Jahr nach Beginn des Programms einen großen Teil der Schwarzstorchhorste durch vertragliche Vereinbarungen oder Nutzungsverzicht im Staats- und Kommunalwald gesichert. Rotmilanhorste folgen in diesem Jahr, ebenso eine Aufwertung ihrer Jagdhabitate im Offenland. Und auch die Wochenstuben der Fledermauskolonien des Kleinen und des Großen Abendseglers oder der Mopsfledermaus werden mitsamt ihrem Umfeld zu dauerhaften Ruhezonen. Das ist bundesweit einmalig und Vorbild für andere Länder“, erklärte Umweltministerin Priska Hinz.

Für den windenergiesensiblen Wespenbussard sind die Arbeiten an einem umfassenden Schutzkonzept fast abgeschlossen. Dieses Artenhilfskonzept wird danach in die Umsetzung gehen. Basierend auf Forschungsergebnissen aus dem Rheingau werden darüber hinaus für ganz Hessen Empfehlungen für die Bewirtschaftung von Wäldern mit Vorkommen der Bechsteinfledermaus entwickelt.

Gutachten für Artenhilfsmaßnahmen von Windenergieprojekten

Das Gutachten identifiziert geeignete Räume für naturschutzrechtlich erforderliche Ausgleichsmaßnahmen für die beiden maßgeblich von der Energiewende in Hessen betroffenen Vogelarten Rotmilan und Schwarzstorch. Insgesamt werden ca. 80.000 Hektar als besonders geeignet ermittelt, das ist doppelt so viel Fläche, wie die Windenergievorranggebiete in Hessen.

„Wir stärken Tierarten, die besonders von Windenergieanlagen betroffen sein können, um ihre Population zu stärken – und zwar dort, wo es bereits viele von einer Art gibt“, sagte Al-Wazir. „Pro Regierungsbezirk wurden je drei große Gebiete mit ausreichend Platz für flexible Lösungen für den naturschutzrechtlich erforderlichen Ausgleich und Maßnahmen aus den Artenhilfspro­grammen identifiziert. Durch die räumliche Bündelung der verschiedenen Maßnahmen verstärken diese sich gegenseitig“, betonte Al-Wazir die weiteren Vorteile für den Artenschutz.

Dialog für Naturschutz und Windenergie

Die nach breitem Dialog mit Landesplanungs-, Naturschutz- und Genehmigungsbehörden sowie den Verbänden des Naturschutzes und der Windenergie identifizierten Regionen für die Artenhilfsmaßnahmen befinden sich überwiegend im Umfeld der Natura 2000-Gebiete, in denen bereits viele Tiere der regionaltypischen Vogelwelt leben und aus denen heraus der nachhaltige Arterhalt langfristig gesichert werden kann. Das Gutachten beschreibt auch die hierfür geeigneten Maßnahmentypen.

Aktuell werden seitens der Windenergie-Projektierer zusätzliche Initiativen zur Beschleunigung des naturverträglichen Windenergieausbaus ergriffen. Der Landesverband Hessen des Bundesverbandes WindEnergie führt in Kooperation mit der Landesenergieagentur Hessen Fortbildungsveranstaltungen für die Gutachter der Windenergie-Projektierer durch. Ziel ist, die Qualität der komplexen naturschutzfachlichen Antragsunterlagen zu verbessern und auch den artenschutzrechtlichen Anforderungen der Verwaltungsvorschrift Naturschutz/Windenergie transparent zu entsprechen.

Hintergrund

Der aktuelle Stand: Zum Jahresende 2021 gab es in Hessen 1.160 Anlagen mit einer installierten Leistung von 2.317,7 MW und dieser regionalen Verteilung:

  • Südhessen: 220 Anlagen mit 525,1 MW
  • Mittelhessen: 474 Anlagen mit 934 MW
  • Nordhessen: 466 Anlagen mit 858,6 MW

Weitere 41 Anlagen waren Ende 2021 genehmigt, aber noch nicht in Betrieb. 53 genehmigte Anlagen waren beklagt, 280 Anlagen im Genehmigungsverfahren.

Rotmilane: In Hessen leben etwa 1000 bis 1300 Brutpaare bzw. Revierpaare, also ca. 2000-2600 Tiere. Stichprobenuntersuchungen zeigen, dass der hessische Bestand in den letzten Jahren nochmals deutlich zugelegt hat.

Wespenbussarde: In Hessen leben etwa 500 bis 600 Brutpaare, 1984 waren es nur zwischen 50 und 200.