Um die Chancen von Normalverdienern auf dem Wohnungsmarkt zu verbessern, wird die Mietpreisbremse in Hessen deutlich ausgeweitet. „Wir sorgen dafür, dass im Vergleich zur jetzigen Mietpreisbremse in doppelt so vielen Städten und Gemeinden Wohnungssuchende vor überteuerten Mieten bei Neuverträgen geschützt werden“, sagte Wirtschafts- und Wohnungsbauminister Tarek Al-Wazir am Donnerstag in Wiesbaden. „Die Mietpreisbremse ist und war umstritten, aber sie wirkt. Sie dämpft nachweislich den Anstieg der Mieten. Deshalb weiten wir sie jetzt aus.“ Die entsprechende Mietpreisbremsen-Verordnung ist vom Kabinett in dieser Woche beschlossen worden und tritt nach Veröffentlichung spätestens zum 1. Juli in Kraft.
Die Hessische Landesregierung hatte 2015 die Mietpreisbremse erstmals eingeführt. Insgesamt umfasste sie damals 16 Städte und Gemeinden. Die neue Verordnung sieht eine Ausweitung auf 31 Städte und Gemeinden vor. „Wir haben nach wie vor mit steigenden Mieten, besonders bei Neuverträgen, zu kämpfen“, so der Minister. „Ich werde mich nicht damit abfinden, dass es für eine junge Familie in Frankfurt, für die Polizistin in Darmstadt oder den Erzieher in Kassel immer schwieriger wird, die Miete zu stemmen. Wer derzeit besonders im Rhein-Main-Gebiet eine Wohnung sucht, kann davon ein Lied singen. Die Mietpreisbremse wird ein Beitrag dazu sein, diese Situation zu entspannen.“
Mietpreisbremse
Die Mietpreisbremse sieht vor, dass die Miete bei der Wiedervermietung einer Wohnung nur noch maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Ausgenommen von der sogenannten Mietenbegrenzungsverordnung sind Erstvermietungen bei Neubau oder nach umfassender Modernisierung bzw. Sanierung.
Unter die neue Mietpreisbremse fallen nicht nur doppelt so viele Städte und Gemeinden, sondern sie umfasst zukünftig auch erstmals die kompletten Stadtgebiete von Frankfurt, Wiesbaden, Kassel, Darmstadt und Bad Homburg. Die bisherigen Ausnahmen einzelner Stadtteile entfallen. Al-Wazir: „Wir stützen uns dabei auf objektive Kriterien wie beispielsweise die Mietpreisentwicklung, die Nachfragesituation und den Leerstand, aber zusätzlich auch auf Rückmeldungen der betroffenen Städte, die einen Verzicht auf Stadtteilausnahmen und damit eine Ausweitung gefordert hatten.“
Die im Jahr 2015 eingeführte Mietpreisbremse hatte einzelne Stadtteile aus dem Geltungsbereich der Mietpreisbremse ausgenommen. Auch im ersten Entwurf für die Verlängerung und Ausweitung der Verordnung waren noch einzelne Stadtteilausnahmen vorgesehen. Daraufhin wurden die betroffenen Städte und Gemeinden und mehrere Verbände zu der Regelung angehört. Al-Wazir: „Aus der Anhörung haben sich gute fachliche Argumente ergeben, die Mietpreisbremse auf die gesamten Stadtgebiete auszuweiten. Zudem hat die innerstädtische Mietpreisentwicklung der vergangenen Jahre gezeigt, dass viele ehemals günstigere Stadtteile, die deshalb von der Mietpreisbremse ausgenommen waren, besonders hohe Mietpreissteigerungen aufweisen.“ Die 2015 noch vorhandenen Mietpreisspreizungen innerhalb der Stadtgebiete haben sich in den letzten Jahren entsprechend reduziert. Genau dies war aber eine wesentliche Begründung der früheren Ausnahmen. „Die erneute Herausnahme einzelner Stadtteile würde aufgrund der bisherigen Erfahrungen voraussichtlich zu Nachholeffekten führen. Das kann ja nicht Sinn der Sache sein.“
DIW-Gutachten zur Mietpreisbremse
Das DIW hat im Auftrag des Bundesjustizministeriums die Auswirkungen der Mietpreisbremse wissenschaftlich untersucht und im Januar 2019 ein Gutachten vorgestellt. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Mietpreisbremse den intendierten Effekt – einer Verlangsamung der Mietdynamik – erreicht. Zwar liegen in vielen Großstädten eine hohe Zahl an Mietangebote oberhalb der zulässigen Mietobergrenze. Jedoch stellen mehrere Studien unabhängig voneinander für verschiedene Stichproben und mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen fest, dass die Mietpreisbremse eine moderate Verlangsamung des Mietanstiegs bewirkt hat. Insofern wird sie zwar offenbar nicht in allen Fällen strikt eingehalten, entfaltet jedoch trotzdem eine messbare Bremswirkung. (...) Zudem gibt es Indizien für positive Effekte auf die Zahl neuer, zum Bau genehmigter Wohnungen in Gemeinden mit eingeführter Mietpreisbremse; die befürchteten negativen Auswirkungen der Mietpreisbremse auf die Bautätigkeit sind bisher ausgeblieben. Auch finden sich kaum Hinweise auf eine reduzierte Instandhaltungstätigkeit oder geringere Wohnqualität von Mietwohnungen sowie auf Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen.
Eine ausführliche Zusammenfassung des DIW Gutachtens ist hierÖffnet sich in einem neuen Fenster abrufbar. Die Entwicklung der Baugenehmigungen in Frankfurt ist hierÖffnet sich in einem neuen Fenster abrufbar.
Stärkung des Mietrechts auch in anderen Bereichen
Al-Wazir betonte zudem, auch in weiteren Bereichen das Recht der Mieterinnen und Mieter zu stärken. Konkret kündigte er an, den Mietpreisdeckel für bestehende Verträge zu verlängern, die Kündigungssperrfrist von fünf auf acht Jahre auszuweiten, Mieterinnen und Mieter besser vor kalter Entmietung zu schützen und die Fehlbelegungsabgabe zu verlängern.
1. Mietpreisdeckel bei bestehenden Verträgen:
Auch Mieterhöhungen bei bestehenden Mietverträgen sollen weiter gedeckelt werden – auch wenn der angespannte Wohnungsmarkt grundsätzlich noch größere Preissprünge hergeben würde. Deshalb sollen Mieterhöhungen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt auf maximal 15 Prozent in drei Jahren begrenzt bleiben.
2. Ausweitung der Kündigungssperrfrist auf 8 Jahre
Wenn die Wohnung, in der man wohnt, verkauft wird, führt das fast immer zu Unsicherheit. Vor allem, wenn der neue Besitzer selbst dort einziehen will. Den Schutz der Mieter vor Kündigungen in solchen Fällen wollen wir verbessern, und dafür den Kündigungsschutz in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt von fünf auf acht Jahre erhöhen.
3. Schutz vor kalter Entmietung
Auch das kommt vor: Immobilienspekulanten kaufen Mietwohnungen oder ganze Mietshäuser, versuchen die Mieter aus der Wohnung zu bekommen, um die Wohnung anschließend in eine Eigentumswohnung umzuwandeln und dann teuer zu verkaufen. Dieses Geschäftsmodell wollen wir unterbinden. Dazu wollen wir den Städten mit besonders betroffenen Gebieten die Möglichkeit geben, solche Umwandlungen zu unterbinden. Kalte Entmietungen lohnen dann nicht mehr. Diese Verordnung wollen wir in diesem Jahr auf den Weg bringen.
4. Geförderte Wohnungen nur für Mieter, die wirklich Förderung brauchen
Geförderte Wohnungen sollen den Menschen zur Verfügung stehen, die sonst große Schwierigkeiten haben, normale Mieten zu stemmen. Wer später mehr verdient, aber trotzdem weiter eine geförderte Wohnung belegt, wird nicht zum Auszug gezwungen, aber muss dafür Fehlbelegungsabgabe zahlen. Dieses Geld fließt dann direkt zurück in neue geförderte Wohnungen. „Wir wissen, dass es sich dabei um teils erhebliche Eingriffe ins Eigentumsrecht der Vermieterinnen und Vermieter handelt. Aber angesichts der momentanen Situation sind auch rechtliche Eingriffe im sogenannten Bestandsmarkt nötig. Wir wollen Stadtstrukturen erhalten und verhindern, dass Menschen wegen immer weiter steigender Mieten aus ihren Quartieren verdrängt werden, in denen sie teils seit Jahrzehnten wohnen und die sie auch mitgeprägt haben“, so der Minister. „Aber richtig ist auch, dass solche rechtlichen Eingriffe in den Markt der bestehenden Wohnungen nur kurz- und mittelfristig helfen, und es ist völlig klar: Wir brauchen zusätzliche Wohnungen. Genau deshalb sind beispielsweise richtigerweise Neubauten beim Erstbezug und Wohnungen nach umfangreichen Sanierungen und Modernisierungen von der Mietpreisbremse ausgenommen.“
HINTERGRUND: Mietpreisbremse im BGB
Nach § 556d Abs. 1 BGB darf die Miete in durch Rechtsverordnung der Landesregierung bestimmten Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten bei der Wiedervermietung einer Wohnung zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um zehn Prozent übersteigen. Angespannte Wohnungsmärkte liegen demnach vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist.
Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn
- die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt,
- die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt,
- die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird oder
- geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.
Mietpreisbremse 2019 in Hessen
- Bad Homburg vor der Höhe,
- Bad Soden am Taunus,
- Bad Vilbel,
- Bischofsheim,
- Darmstadt,
- Dreieich,
- Egelsbach,
- Eschborn,
- Flörsheim am Main,
- Frankfurt am Main,
- Ginsheim-Gustavsburg,
- Griesheim,
- Hattersheim,
- Heusenstamm,
- Hofheim am Taunus,
- Kassel,
- Kelkheim (Taunus),
- Kelsterbach,
- Kiedrich,
- Langen (Hessen),
- Marburg,
- Mörfelden-Walldorf,
- Nauheim,
- Nidderau,
- Obertshausen,
- Oberursel (Taunus),
- Offenbach am Main,
- Raunheim,
- Schwalbach am Taunus,
- Weiterstadt und
- Wiesbaden.