WirtschaftsWandel Hessen - nachhaltig. innovativ. krisenfest.

Gesamte Regierungserklärung von Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir vom 12. Juli 2022 zum Nachlesen:

  • 2018 hat uns eine Jahrhundertdürre endgültig klargemacht, dass wir die Klimakrise viel zu lang als „Klimawandel“ verharmlost haben.
  • 2020 brachte Covid-19 das Räderwerk der Weltwirtschaft aus dem Takt.
  • In diesem Frühjahr hat russische Raketenartillerie zertrümmert, was wir für eine europäische Sicherheitsordnung gehalten hatten.
  • Jetzt zieht als Folge dieses Angriffs die Inflation an wie seit Jahrzehnten nicht mehr, und es droht eine weltweite Nahrungsmittelknappheit.

Längst kann man nicht mehr stöhnen, dass die Krisen einander die Klinke in die Hand geben. Denn die eine ist noch längst nicht gegangen, da kommt schon die nächste und hinter ihr die übernächste.

Und nichts deutet darauf hin, dass sich daran etwas ändert.

Wirtschaftsmodell ist heißgelaufen

In diesem Gemenge aus Entwicklungen, die einander überlagern, sich gegenseitig beeinflussen und verstärken, gibt es einen Hauptantrieb. Es ist die Art und Weise, wie wir seit dem Beginn des Industriezeitalters unseren Wohlstand erwirtschaften. 

Unser bisheriges, auf fossilen Energieträgern und einem sorglosen Umgang mit Bodenschätzen beruhendes Wirtschaftsmodell ist nach über 200 Jahren an seine Grenzen gekommen. Es hat in unserem Teil der Welt für viele Menschen einen bislang unbekannten Wohlstand entstehen lassen. Es hat Seuchen besiegt, Menschen auf den Mond gebracht, Bildung demokratisiert und vieles mehr.

Aber es ist dabei im wahrsten Sinne des Wortes heißgelaufen:

  • Der Welterschöpfungstag – das Datum, ab dem wir mehr Ressourcen verbrauchen, als jährlich nachwachsen – rückt jedes Jahr vor.
  • In meinem Geburtsjahr 1971 fiel er auf den 20. Dezember, letztes Jahr schon auf den 29. Juli.
  • Wir bräuchten also eigentlich 1,7 Erden. Dabei wissen wir alle: Wir haben nur eine.

Wir leben von der Substanz und auf Kosten kommender Generationen.

Ein paar Monate nach meiner Geburt erschien die Studie: „Die Grenzen des Wachstums“. Was damals noch eine abstrakte wissenschaftliche Prognose war, ist heute hautnah erfahrbar. Unsere bisherige Wirtschaftsweise kann uns nicht mehr in die Zukunft führen. 

Wenn wir weiterhin Wohlstand ermöglichen wollen, und ich will das, müssen wir unser Wirtschaftsmodell weiterentwickeln und konsequent auf Nachhaltigkeit ausrichten.

Wenn wir unsere Welt halbwegs so erhalten wollen, wie wir sie kennen, dann muss sie sich wandeln.

Theoretisch wissen wir das alles schon lange - wir müssen es jetzt endlich machen.

Unsere Aufgabe ist die Transformation unserer auf fossilen Energien basierenden, rohstoffintensiven und naturverbrauchenden Wirtschaft hin zu einer klimaneutralen, sozialen, krisenfesten und damit zukunftssicheren Wirtschaft.

Tarek Al-Wazir Hessischer Wirtschaftsminister

Transformation ist die Voraussetzung für den Erhalt unseres Wohlstands

Kurz: Es geht um nichts weniger als um die Revolution der Industriellen Revolution.

Das war schon vor Putins Überfall auf die Ukraine so. Aber seit dem 24. Februar ist diese Aufgabe noch dringlicher und leider auch schwerer geworden. Weil russisches Erdgas, das als Brücke gedacht war, bald vielleicht gar nicht mehr zur Verfügung steht und Ersatz nur schwer und teuer zu beschaffen ist. Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass die Gasmangellage zum Notstand wird.

Aber die Anstrengung lohnt.

Die Transformation wird uns auch viele Chancen eröffnen.

Wenn wir jetzt entschlossen handeln, werden wir an Lebensqualität, an individueller Freiheit, an sozialer Sicherheit gewinnen.

Denn Klimaschutz ist heute die Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und Wohlstand.

Klimaschutz schützt auch unsere Wirtschaftskraft.

Das heißt: Bei der Transformation geht es eben nicht nur um die Verkleinerung unseres ökologischen Fußabdrucks.

Sondern darum, durch Klimaschutz und Nachhaltigkeit

  • wettbewerbsfähiger und krisenfester zu werden,
  • neue Geschäftsmodelle zu erschließen,
  • neue Wertschöpfung zu generieren,
  • neue Jobs zu schaffen.

So dass möglichst alle von diesem Aufbruch profitieren: Unternehmerinnen und Unternehmer, Beschäftigte, Bürgerinnen und Bürger, Jung und Alt, Stadt und Land.

Das ist eine enorme Aufgabe. Aber wir stehen nicht mit leeren Händen da:

  • viele Zukunftstechnologien sind bereits bekannt,
  • weitere Ideen liegen in der Schublade,
  • wir haben den nötigen Willen
  • und die nötige Kreativität.

Nur die Zeit wird langsam knapp. Anfang des Jahres hat der Weltklimarat uns gemahnt:

Das Zeitfenster, den Temperaturanstieg auf ein handhabbares Maß zu begrenzen, schließt sich. Abwarten ist keine Option mehr.

Nie war der Handlungsdruck größer. Doch auch die Bereitschaft zur Veränderung war noch nie so groß. Das zeigt sich nicht nur in Umfragen. An vielen Stellen, auch in Hessen, hat die Transformation bereits begonnen, sind wir vom „Da-müsste-langsam-mal-was-unternommen-werden“-Modus zum „Wir-machen’s-jetzt“-Modus übergegangen.

  • Bürgerinnen und Bürger gründen Energiegenossenschaften, um im eigenen Ort sauberen Strom zu erzeugen.
  • Städte, Kreise und Gemeinden sind auf dem Weg, CO2-neutral zu werden. Ein Beispiel: Ich war im Frühjahr bei der Auftaktversammlung des Projekts klimaneutrales Waldeck-Frankenberg. Dort haben Partner aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ein Netzwerk gegründet, um ihre Region bis 2035 klimaneutral zu machen. Ich war sehr beeindruckt, wie professionell man dabei vorgeht.
  • Viele Unternehmen modernisieren ihre Produktionsverfahren, um mit weniger Energie und Rohstoffen auszukommen.
    Damit werden sie nicht nur grüner, sondern auch wettbewerbsfähiger.

Die soziale Marktwirtschaft setzt an, zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft zu werden.

Denn Wirtschaft steht ja nie still, sie wandelt sich ständig. Der Manchester-Kapitalismus, den Friedrich Engels beschrieb, hat sich in Deutschland zur sozialen Marktwirtschaft gewandelt.

Wirtschaft ist immer auch Wirtschaftswandel.

Wirtschaftspolitik heißt, dem Wandel eine Richtung geben, und das ist unser Anspruch:

WirtschaftsWandel Hessen - nachhaltig. innovativ. krisenfest.

Wir haben es in der Hand, unseren Wohlstand auf ein dauerhaftes Fundament zu stellen. Daran arbeiten wir in Hessen seit mittlerweile acht Jahren. Auf vielen einzelnen Gebieten:

  • In der Mobilität und der Landwirtschaft,
  • bei der Energiewende und im Wohnungsbau,
  • in der Infrastruktur- und der Technologieförderung –
  • überall dort, wo Landespolitik etwas bewirken kann.

Mit dem Integrierten Klimaschutzplan, dem Hessischen Energiegesetz, dem Landesentwicklungsplan; mit Geld, mit Beratung, mit Rechtsetzung.

Wir setzen dabei auf Gründungs- und Unternehmergeist, auf Innovationsfreude und Kreativität, auf kluge Ordnungspolitik und auf die Kräfte des Markts.

Unsere Bilanz kann sich sehen lassen.

WirtschaftsWandel Hessen heißt: Wir produzieren unseren Strom immer nachhaltiger, mehr als die Hälfte der hessischen Stromerzeugung ist erneuerbar.

Fast zwei Prozent der Landesfläche sind als Vorranggebiete für Windenergie ausgewiesen. Hessen ist neben Schleswig-Holstein das einzige Bundesland, das die Vorgabe der Bundesregierung für 2027 bereits jetzt erfüllt.

Und es gibt jetzt endlich auch Rückenwind vom Bund, der uns helfen wird, dass diese Flächen auch so schnell wie möglich genutzt werden.

WirtschaftsWandel Hessen heißt: Wir machen Mobilität klimafreundlich.

  • Wir schaffen eine moderne Radinfrastruktur, damit das Fahrrad noch mehr zum Alltagsverkehrsmittel werden kann.
  • Der Ausbau der hessischen Schieneninfrastruktur ist in Schwung gekommen. Im Dezember nimmt die weltweit größte Wasserstoffzugflotte ihren Betrieb im Taunusnetz auf, hier bei uns in Hessen.
  • In Frankfurt-Höchst entsteht die weltweit größte Pilotanlage für synthetisches Kerosin. Denn auch das Fliegen muss klimaneutral werden – daran hat gerade unser Bundesland mit dem Weltflughafen Frankfurt ein besonderes Interesse.

WirtschaftsWandel Hessen heißt: Wir unterstützen Unternehmen auf ihrem Weg in die Zukunft:

  • Zahlreiche Mittelständler haben mit unserer Hilfe ihren Energie- und Rohstoffaufwand gesenkt und damit Kosten und CO2 gespart.
  • Wir bemühen uns intensiv um Start-ups.
  • Mehr als 1.500 verfolgen in Hessen ihre innovativen Geschäftsideen.
  • Und jedes dritte davon ist ein Green Start-up, das mit nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen auf den Markt geht.
  • Frankfurt etabliert sich als Zentrum für nachhaltige Finanzierung.

Denn die Transformation eines ganzen Wirtschaftssystems lässt sich nur im Zusammenspiel mit privatem Kapital finanzieren.

Jetzt haben wir die Chance, mehr zu tun und weiterzugehen, dem WirtschaftsWandel Hessen einen weiteren kräftigen Schub zu geben. Denn das nationale und internationale Umfeld hat sich gewandelt.

Die EU hat den Green Deal verabschiedet. Er zielt auf eine CO2-neutrale Wirtschaft, die ihr Wachstum von der Ressourcennutzung abkoppelt und niemanden im Stich lässt.

Die Bundesregierung bekennt sich in ihrem Koalitionsvertrag dazu, die soziale Marktwirtschaft als eine sozialökologische Marktwirtschaft neu zu begründen und setzt sich ehrgeizige Ziele. Endlich geben wir der historischen Herausforderung die angemessene Antwort. Hessen wird seinen Teil dazu beitragen.

Wir werden die Anstrengungen auf europäischer und nationaler Ebene flankieren und eigene Schwerpunkte setzen, wo die besonderen Bedingungen in Hessen es erfordern.

Wir werden dafür sorgen, dass der Rückenwind aus Berlin und Brüssel den größtmöglichen Schub für den Wirtschaftswandel in Hessen entwickelt.

Das ist der Zweck des Maßnahmenpakets, das ich Ihnen heute vorstelle.

So klar das Ziel ist, so vielfältig sind die Ansätze, Pfade und möglichen Wege zur Transformation.

  • Es geht um Energie, ihre effiziente Nutzung und saubere Erzeugung.
  • Es geht um Recycling von Ressourcen und Möglichkeiten, weniger davon zu verbrauchen.
  • Es geht um neue Technologien, um kluge Ideen und deren Weiterentwicklung zu marktfähigen Produkten.

Für vieles davon gibt es Expertise, Beratung, Förderprogramme.

Aber Hessens Unternehmen sollen nicht erst lange Beratungsstellen und Internetseiten abklappern müssen, um die richtigen Ansprechpartner zu finden.

♦ Für sie werden wir eine Servicestelle WirtschaftsWandel Hessen einrichten für alle Fragen rund um das Thema Transformation. Ein Lotse, der sie ins richtige Fahrwasser bringt.

Es fehlt nicht an Ideen für die vielen technischen Herausforderungen. Aber um aus einer Idee eine Innovation zu machen, sie vom Labor in die Produktionshalle zu führen, ist noch viel Entwicklung nötig. Dabei unterstützen wir kleine und mittlere Unternehmen bereits.

♦ Künftig wollen wir das verstärken und dabei einen besonderen Akzent auf Ressourceneffizienz und Recycling legen. Denn wir wollen nicht nur mit weniger Energie auskommen, sondern auch weniger natürliche Rohstoffe verbrauchen. Ressourcen sind zu wertvoll für die Mülldeponie: In ausgedienten Handys steckt 50mal mehr Gold als in Golderz.

Das Potenzial von Stofftrennung und Recycling ist noch lange nicht ausgereizt.

Daher werden wir Unternehmen bei entsprechenden Innovationsvorhaben unterstützen. Das dient nicht nur dem Klimaschutz, sondern auch unserer wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Lieferländern, die oft genug von fragwürdigen Regimen regiert werden.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Es geht nicht um Autarkie, nicht um eine Abkehr vom Welthandel. Denn der wirtschaftliche Austausch mit anderen Ländern und Erdteilen kann alle Seiten wohlhabender machen. Nur dürfen wir uns nicht mehr einseitig abhängig machen von einzelnen Lieferketten oder Herkunftsländern. Handel soll uns und unsere Handelspartner wohlhabender machen, nicht verwundbarer oder sogar erpressbarer, wie bei unserer Abhängigkeit von Erdgas aus Russland. 

Unsere Innovationspolitik beschränkt sich selbstverständlich nicht auf Ressourceneffizienz. Das hat sie bisher nicht getan, und das wird sie auch in Zukunft nicht. Sie wird sich jedoch konsequent an Nachhaltigkeit, ökonomischer Krisenfestigkeit und Digitalisierung orientieren.

Gründungen und Start-ups stärken

Um mehr Innovationen in den Markt zu bringen, werden wir das Gründungs- und Transfernetzwerk ausbauen und stärken: Um den Ideenfluss aus der Hochschul- und Unternehmensforschung in die Praxis zu verbessern, noch mehr Talente für Start-ups zu aktivieren und mehr Gründungen hervorzubringen. 

Wir wollen den Wandel, und Wandel gibt es nicht ohne Gründerinnen und Gründer, die neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt bringen. Deshalb wollen wir Gründerinnen und Gründer nach Hessen locken – vor allem, wenn ihr Geschäftsmodell auf ökonomische, ökologische und soziale Tragfähigkeit zielt.

Daher werden wir mit einer Standortkampagne gezielt um Green Start-ups werben und noch in diesem Jahr die ersten Gründerstipendien vergeben. 

So werden aus Ideen Innovationen. Aus Innovationen sollen aber auch Investitionen werden. Nachhaltige Innovationen sollen den Weg zu den Kundinnen und Kunden finden, sie sollen sich am Markt durchsetzen. Auch dabei werden wir helfen - mit Information, mit Beratung und mit finanziellen Anreizen. Wir tun das bereits bei der Digitalisierung, aber auch bei der energie- und ressourceneffizienten Produktion und beim Ecodesign.

Das Instrument dazu ist das PIUS-Invest-Programm– PIUS steht für Produktionsintegrierter Umweltschutz.

Damit fördern wir aus dem europäischen EFRE-Fonds Investitionen in effiziente und klimaschonende Herstellungsverfahren.

Dafür haben wir in der auslaufenden EFRE-Periode 14,8 Mio. Euro aufgewendet. In der kommenden Periode werden wir es deutlich ausbauen, Anträge können voraussichtlich von Mitte August an, gestellt werden.

Die Transformation eines Wirtschaftssystems ist eine Gemeinschaftsaufgabe, eine grundsätzliche Weichenstellung, die weit über unsere Legislaturperiode hinausweist.

An ihr wird auf vielen Ebenen gearbeitet: im einzelnen Betrieb, in den Kommunen und Regionen, in den Verbänden, in der Politik.

Damit all diese Anstrengungen nicht gegeneinander laufen, keine Reibungsverluste entstehen, damit sie vielmehr abgestimmt und in die gleiche Richtung laufen, werden wir als Landesregierung einen Hessischen Wirtschaftsgipfel einberufen.

 

Wir wollen mit Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften, der Industrie und der Politik gemeinsam den Weg der Transformation abstecken. Große Zielsetzungen bedürfen übergreifender Verständigung, und diese Verständigung wollen wir herbeiführen.

Schon jetzt wenden wir rund 45 Mio. Euro für die Transformation der Wirtschaft auf. Mit den neuen Maßnahmen wird vom Haushalt 2023 an – wenn der Landtag zustimmt – pro Jahr ein zweistelliger Millionenbetrag hinzukommen.

Ein kräftiger Impuls für den WirtschaftsWandel Hessen.

Wenn wir von Transformation und Wirtschaftswandel reden, reden wir von wirtschaftlicher Dynamik, die wir entfachen, von Wachstumskräften, die wir freisetzen, von Chancen, die wir ergreifen.

Wir reden von neuem Wohlstand und neuen Arbeitsplätzen, die entstehen werden. Aber wie jeder ökonomisch-technologische Fortschritt wird auch dieser über manches Alte hinweggehen.

Nicht jedem Unternehmen wird die Anpassung gelingen, nicht jedes Berufsbild wird bestehen bleiben; wir sehen ja schon seit Jahren, wie die neue Plattform- und Internetökonomie traditionelle Arbeitsformen und Arbeitsverhältnisse aushöhlt. Wenn Karten neu gemischt werden, gibt es in der Regel nicht nur Trümpfe zu verteilen.

Gleichzeitig gilt:

Wer heute verspricht, dass alles so bleiben kann wie es ist, der macht den Menschen etwas vor.

Mehr noch: Er vergrößert das Problem.

Wären wir bei der Energie- Verkehrs- und Wärmewende in den letzten Jahren schneller gewesen, dann hätten wir uns schneller unabhängiger von Gas, Kohle und Öl gemacht.

Dann würde uns der Energiepreisschock jetzt nicht so hart treffen. Unterlassener Wirtschaftswandel wird eben irgendwann bestraft – leider trifft die Strafe dann nicht nur die Verantwortlichen, sondern alle. 

Niemand kann versprechen, dass die Transformation ganz ohne Härtefälle abläuft. Aber das kann ich versprechen: Wir werden sehr genau darauf achten, dass sie nicht systematisch Verlierer produziert. Sondern dass sie allen zugutekommt und dass Lasten, Chancen und Erfolg gerecht verteilt werden: Im Arbeitsleben, in der Bildung, in der Gesellschaft.

Wir werden nicht zulassen, dass die Transformation zum Stresstest für den gesellschaftlichen Frieden wird. 

Ich sage das sehr bewusst gerade angesichts der aktuellen Lage:

Wir erleben, wie der allgemeine Preisauftrieb an unseren Einkommen nagt. Diese Inflation wird maßgeblich von den Energiemärkten angeheizt – und zwar von den fossilen Energien. Auch deshalb müssen wir von ihnen loskommen.

Klar ist aber auch: Die Energiewende hilft nicht kurzfristig gegen den aktuell sich abzeichnenden Gasmangel. Dafür hätten wir früher anfangen müssen. Millionen Gas- und Ölheizungen in Deutschland lassen sich nicht über Nacht austauschen.

Das heißt: In den nächsten Wochen und Monaten werden wir alle sparen müssen – Unternehmen, Verwaltung und Privathaushalte.

Und weil die Lage wirklich ernst ist, sage ich auch dies: Wir müssen bereit sein, eine Zeitlang auf manchen gewohnten Komfort zu verzichten.

Wenn wir im Herbst die Heizungen wieder anschalten, sollte jede und jeder überlegen, ob er oder sie nicht mit einem oder zwei Grad weniger an Raumtemperatur auskommen kann. Immerhin spart jedes Grad weniger sechs Prozent Energie und Heizkosten. Wie gesagt: Wir werden uns alle einschränken müssen.

Die Landesregierung lässt die Hessinnen und Hessen dabei nicht allein.

Erstens fangen wir bei uns selbst an. 

  • Ohnehin haben wir das ehrgeizige Ziel, die Landesverwaltung bis 2030 CO2-neutral zu machen.
  • Wir sind auf diesem Weg schon gut vorangekommen und haben den CO2-Ausstoß von 2008 bis 2020 um zwei Drittel gesenkt.

Jetzt strengen wir uns noch mehr an. Die Landesregierung arbeitet bereits an einem Maßnahmenpaket. Wir prüfen alles von der zeitweisen Warmwasserabschaltung in unseren Gebäuden bis zur kurzfristigen energetischen Modernisierung. Und wir werden uns auf das konzentrieren, was am besten und am schnellsten wirkt.

Zweitens zeigen wir, wie jede und jeder auf einfache Weise seinen Energieverbrauch und damit die Rechnung verkleinern kann.

  • Vieles lässt sich einfach bewerkstelligen; man muss nicht gleich die ganze Heizung austauschen.
  • Ein Besuch im Baumarkt genügt: Warmwasserleitungen dämmen, alte Leuchtmittel gegen LED-Leuchten auswechseln, ein Sparduschkopf – das sind alles keine großen Investitionen, und sie machen sich schnell bezahlt. Praktische Tipps hat die LandesEnergieAgentur, die LEA zusammengestellt. Weitere Anregungen werden wir in der kommenden Woche vorstellen.
  • Zum 1. August wird die LEA zudem eine Energie-Hotline einrichten. Dort können sich Bürgerinnen und Bürger Rat holen.

Alle können etwas tun, damit wir weniger Energie und Gas brauchen.

Drittens: für größere Maßnahmen gibt es auch finanzielle Hilfe.

Das fängt an beim hydraulischen Abgleich für ein paar hundert Euro und reicht bis zur Gebäudedämmung und Komplettsanierung. Dafür gibt es günstige Kredite ebenso wie Zuschüsse. Ich appelliere an alle, diese Angebote zu nutzen.

Energieeffizienz war nie notwendiger als jetzt. Aber auch noch nie lohnender.

Die Landesregierung und die Bundesregierung tun alles, damit Energiesparen jetzt sehr konkret in die Tat umgesetzt wird. Damit niemand sich im Winter über Gebühr einschränken muss.

Wo es unzumutbare Lasten gibt, müssen sie gerecht verteilt werden. Wir müssen denen helfen, die es wirklich brauchen.

Denn Nachhaltigkeit heißt nicht nur CO2-Neutralität. Klimaschutz ist kein Selbstzweck, und Windräder sind keine Prestigeobjekte.

Nachhaltigkeit bedeutet auch: Zusammenhalt, soziale Sicherheit, Zukunftsvertrauen, Menschenwürde. Es geht um unser Zusammenleben; darum, dass möglichst alle in diesem Land anständig leben und zuversichtlich nach vorne blicken können.

Tarek Al-Wazir Hessischer Wirtschaftsminister

Dafür müssen wir uns alle anstrengen. Aber dann wird es auch gelingen. Und genau darum geht es uns mit

WirtschaftsWandel Hessen - nachhaltig. innovativ. krisenfest.   

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