Ein Verwaltungsverfahren mit einer Dauer von dreizehn Jahren und eine sich hieran anschließende gerichtliche Auseinandersetzung mit einer Dauer von weiteren neun Jahren um die Frage, ob die Gießener Wasserpreise in den Jahren von 2006 bis 2010 angemessen oder möglicherweise überhöht waren, konnte nun durch einen außergerichtlichen Vergleich beigelegt werden. Eine entsprechende Vereinbarung haben das Hessische Wirtschaftsministerium, die Stadtwerke Gießen sowie die Stadt Gießen jüngst unterzeichnet. Im Sinne einer Lösungsfindung für die Bürger Gießens erachteten die Parteien eine weitere Befassung der Gerichte mit den in diesem Verfahren zu beantwortenden schwierigen Rechts- und Tatsachenfragen nicht länger als zielführend.
Das Wichtigste für die Gießener Verbraucherinnen und Verbraucher: Die von den SWG zu zahlende Summe in Höhe von rund 5,7 Mio. Euro, auf die sich die einstigen Prozessgegner als Ausgleich nun geeinigt haben, wird unmittelbar den Gießener Wassergebührenzahlern zu Gute kommen. Die Zahlung der Stadtwerke ermöglicht nämlich, die bereits im vergangenen Jahr beschlossene Gebührenanhebung für die Jahre 2026 und 2028 auszusetzen und die Wassergebühr stabil zu halten. Durchschnittlich 109 Euro pro Haushalt können die Gießener Wasserkunden dadurch insgesamt in den nächsten vier Jahren sparen. Über eine entsprechende Vorlage wird die Stadtverordnetenversammlung im November entscheiden.
Gießens Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher, der den Einigungsprozess gemeinsam mit der für die Wasserversorgung zuständigen Dezernentin Gerda Weigel-Greilich für die Stadt begleitet und verhandelt hat, bewertete das Ergebnis als gelungenen Kompromiss: "Von dieser außergerichtlichen Einigung profitieren nun alle Gießener Bürger*innen. Das ist ein gutes Ergebnis, für das alle Beteiligten aufeinander zugegangen sind und viel getan und geleistet haben," so der OB. Becher dankte dem Hessischen Wirtschaftsministerium, das die Initiative für diese Einigung im Verhandlungsweg ergriffen hatte. Er dankte auch den Stadtwerken dafür, dass sie diesen Weg mitgegangen sind. Der Aufsichtsrat der SWG hatte für die Einigung in seiner Sitzung Ende Oktober grünes Licht gegeben.
Becher: "Bei allen Beteiligten hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass man sicher noch Jahre darüber hätte vor Gericht streiten können, ob die Preise damals angemessen waren oder nicht. Ein Ende war nicht in Sicht. Von einem solchen Weg nach den Jahren des Streits abzugehen und sich jenseits einer Anerkenntnis von Rechtspflichten aufeinander zuzubewegen, um letztlich den Gießener*innen direkt Erleichterung zu schaffen, war ein lohnender Weg. Wir als Stadt freuen uns darüber," so der OB.
Auch Matthias Funk, Vorstand der SWG, betont: „Wir freuen uns, nach so langer Zeit ein für alle Seiten zufriedenstellendes Ergebnis erzielt zu haben. Von dieser Lösung profitieren alle am Verfahren Beteiligten und das Ergebnis kommt vollumfänglich den Gießener Wasserkundinnnen und -kunden zugute. Unser Dank gilt hierfür dem Hessischen Wirtschaftsministerium und Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher.“
Der Hessische Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori betonte: „Ich bin froh, dass wir eine pragmatische Lösung finden konnten, die den Menschen in Gießen zu Gute kommt. Ich bedanke mich ganz herzlich bei der Stadt Gießen sowie der SWG für die sehr konstruktiven Gespräche. Die Einigung zeigt, dass Konflikte im Sinne der Allgemeinheit geklärt werden können, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen.“
Begonnen hatte die Auseinandersetzung bereits im Jahre 2002. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Kartellbehörde ein Verfahren wegen möglicherweise missbräuchlich überhöhter Wasserpreise eingeleitet, das sie Ende 2015 mit einer Verfügung abschloss. Die Stadtwerke legten daraufhin Beschwerde ein, die eine Befassung der Gerichte nach sich zog
Der außergerichtliche Vergleich wird das Kartellverwaltungsverfahren jetzt beenden. Die Parteien werden ihren Klärungswunsch vor Gericht als erledigt erklären. Als Ausgleichsbetrag wurden im Vertrag rund 5,7 Mio. Euro festgeschrieben. Diesen Betrag werden die Stadtwerke Gießen an die Kartellbehörde zahlen. Diese wiederum verzichtet auf die mögliche Vereinnahmung des Geldes in den Landeshaushalt und möchte die Gießener Wassergebührenzahler*innen direkt profitieren lassen.
Da die Wasserversorgung in Gießen im Jahr 2011 rekommunalisiert wurde, wird die Zahlung von den SWG direkt an den städtischen Eigenbetrieb Mittelhessische Wasserbetriebe (MWB) geleistet, der seitdem die Wasserversorgung innehat. Dieser wird die Einnahmen ausschließlich zur Kostendeckung der Wasserversorgung einsetzen und kann daher seine Gebührenkalkulation neu überarbeiten. Die Aussetzung der bereits beschlossenen Gebührenerhöhungen in den Jahren 2026 auf 2,29 Euro/m³ und 2028 auf 2,35 Euro/m³ ist damit möglich. Die Wassergebühren für Gießen werden - so die Stadtverordneten dem im November zustimmen - damit nach derzeitigem Stand bis zum Jahr 2030 stabil bei den derzeitigen Gebühren in Höhe von 2,15 Euro/m³ bleiben können. Das entspricht einer durchschnittlichen Preisersparnis in Höhe von 109 Euro pro Haushalt gegenüber den bisherigen Kalkulationen.